Nachhaltiges Wirtschaften stellt insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) eine große Herausforderung dar. Um das eigene Geschäftsmodell nachhaltig auszurichten, bedarf es nicht nur viel Zeit und Energie, sondern auch einer gründlichen Analyse aller Geschäftsbereiche, strategischen Gestaltungswillen und eine überzeugende Kommunikation. Von der Entwicklung und Umsetzung einer Nachhaltigkeitsstrategie bis hin zur Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichts ist es oft ein langer Weg.
Berichtspflicht für KMUs ab 2026
Nachhaltigkeit sollte nicht nur als Imagefaktor, sondern als ökonomisches, ökologisches und soziales Kernthema im Unternehmen verankert werden. Dies bringt langfristig Vorteile, wie der Erfolg von Pionieren im Bereich der Nachhaltigkeit zeigt. Die aktuelle Ausgabe der Brand Eins berichtet über den oft steinigen Weg von Unternehmen wie Frosch, Frosta und VAUDE, der sich dennoch ausgezahlt hat. Stefan Schaltegger, Professor für Nachhaltigkeitsmanagement an der Leuphana Universität Lüneburg, betont in dem Artikel, wie wichtig es ist, sich früh mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen: „Je früher Unternehmen sich auf Nachhaltigkeit und eine zirkuläre Wirtschaft ausrichten, umso geringer sind tendenziell ihre Umstellungskosten und umso größer sind auch ihre potentiellen Wettbewerbsvorteile.“
Für KMUs wird nachhaltiges Wirtschaften künftig nicht nur eine strategische Entscheidung, sondern eine Verpflichtung sein. Im Rahmen des European Green Deal hat die EU die 2023 verabschiedete CSRD-Richtlinie (Corporate Sustainability Reporting Directive) erlassen, die im Juli 2024 in deutsches Recht überführt wurde. Sie verpflichtet große Unternehmen ab 2025 und KMUs ab 2026 zur Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichts. Laut KPMG betrifft dies in Deutschland künftig 15.000 Unternehmen.
Nachhaltige Wirtschaft rund um Ulm
Es ist also an der Zeit zu handeln, aber wo soll man beginnen? Eine gute Einführung gibt das 2023 erschienene Buch Nachhaltigkeit im Unternehmen. Ein Leitfaden aus der Praxis für die Praxis. Entwickelt und herausgegeben wurde es vom Ulmer Initiativkreis nachhaltige Entwicklung e.V., einem regionalen Zusammenschluss von Unternehmen, die sich bereits seit 1993 für nachhaltige Entwicklung in der Wirtschaft engagieren.
Zu Beginn des Buches beziehen die Herausgeber klar Position: Nachhaltigkeit sei aufgrund der Klimakrise und der geopolitischen Lage längst kein Nischenthema mehr, sondern zur „Chefsache“ geworden. Die nachhaltige Transformation der Wirtschaft kommt aus ihrer Sicht nicht allein durch das freiwillige Engagement von Unternehmen voran. Die Politik müsse Rahmenbedingungen schaffen und bei der Förderung nachhaltiger Technologien Planungssicherheit gewährleisten.
Große Nachhaltigkeitsthemen in der Praxis
Dieses Buch zeigt, wie die schrittweise Ausrichtung von KMUs auf nachhaltiges Wirtschaften auf regionaler Ebene aussehen kann. Klar, Ratgeberbücher und Leitfäden versprechen immer Praxisnähe, aber hier wurden ganz konkret die Erfahrungen von KMUs zusammengetragen, die nachhaltiges Wirtschaften voranbringen. Man erfährt, wie die auf die Herstellung von Mehrwegverpackungen spezialisierte Firma Scherplast sich mit Recycling und Circular Economy auseinandersetzt und welche Erfahrungen der Nusshersteller Seeberger mit seinem Nachhaltigkeitsbericht erstellt hat.
Das Buch verknüpft Theorie und Praxis somit sehr anschaulich und gibt einen umfassenden Überblick über zentrale Themen, von der Klimabilanz über Stakeholder-Dialoge, Circular Economy bis hin zum Nachhaltigkeitsreporting. Die vielen Institutionen, Gesetzesvorhaben und Richtlinien, die das Thema Nachhaltigkeit oft sehr technisch und komplex erscheinen lassen, werden dabei unaufgeregt und klar erläutert.
Jedes Themenkapitel ist nach ganz pragmatischen Fragen gegliedert: Worum geht es? Warum ist das wichtig? Wie geht das? Welche Anforderungen und welcher Aufwand sind damit verbunden? Auf diese kurze Übersicht folgen dann die Praxisbeispiele aus den verschiedenen Unternehmen.
Regionale Pioniere
Wenn man diese Erfahrungsberichte der einzelnen Unternehmen liest, möchte man eigentlich noch mehr über die Menschen und Geschichten dahinter wissen. Mit Interviews, Reportagen und Bildstrecken hätte man die Nachhaltigkeitspioniere rum um Ulm noch stärker in den Vordergrund rücken, oder sogar ein zweites Buch daraus machen können. Eine bessere redaktionelle Aufbereitung der Inhalte würde dieses Buch noch anschaulicher und ansprechender machen.
Was die Aufmachung des Buches, wie Papier und Umschlag, betrifft, hätte der oekom Verlag es etwas hochwertiger und dennoch nachhaltig produzieren können. Aber man hält auf jeden Fall einen gut lesbaren und praxisbezogenen Leitfaden in der Hand, der Manager:innen insbesondere in kleineren Unternehmen dabei unterstützt, die ersten wichtigen Schritte in Richtung Nachhaltigkeit zu gehen.
Nachhaltigkeit im Unternehmen. Ein Leitfaden für die Praxis
Ulmer Initiativkreis nachhaltige Entwicklung e.V.
2023, Softcover, 152 Seiten Oekom Verlag